Seit 2014 setzen Automobilhersteller auf den Self Assessment Questionnaire (SAQ), ein Prüfverfahren zur Qualifizierung von Zulieferern der Automobilindustrie.  Der SAQ wurde von Drive Sustainability entwickelt, einer Partnerschaft von 16 Automobilherstellern, darunter Branchengrößen wie BMW Group, Daimler Trucks, Ford, Honda, Jaguar Land Rover, Mercedes-Benz, Scania, Toyota, Volkswagen Group, Volvo Group und Volvo Cars. Ziel von Drive Sustainability ist die Förderung von Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette der Automobilindustrie durch einen gemeinsamen Ansatz innerhalb der Branche und der Integration von Nachhaltigkeit in den gesamten Beschaffungsprozess.

Nur wenn Zulieferer eine bestimmte Punktzahl beim SAQ erreichen, können sie Geschäftsbeziehungen mit Automobilherstellern eingehen. Im Kern handelt es sich beim SAQ um einen Fragebogen, der Selbstauskünfte zu Themen wie Menschenrechte und Arbeitsbedingungen, Unternehmensethik, Umwelt und Lieferantenmanagement verlangt, die mit aussagekräftigen Dokumenten belegt werden müssen.

Die zunehmende Regulierung auf nationaler und EU-Ebene hat dazu geführt, dass Zulieferer bereits durch die Einhaltung geltender Gesetze eine hervorragende Ausgangsposition haben, um im SAQ 5.0 sehr gut abzuschneiden. In diesem Zusammenhang möchten wir drei aktuelle Gesetze näher beleuchten: das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) und die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD).

Überblick über SAQ 5.0

SAQ 5.0 ist in 8 Abschnitte unterteilt, die jeweils verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit abdecken:

  1. Geschäftsführung
  2. Menschenrechte und Arbeitsbedingungen
  3. Arbeitsschutz
  4. Unternehmensethik
  5. Umwelt
  6. Verantwortungsvolles Lieferkettenmanagement
  7. Verantwortungsbewusste Beschaffung von Rohstoffen
  8. Zusätzliche Informationen

Jeder dieser Abschnitte enthält detaillierte Fragen, die darauf abzielen, die Leistung des Automobilzulieferers innerhalb des jeweiligen Themas zu bewerten. Am Ende jedes Abschnitts erhält der Zulieferer eine entsprechende Punktzahl, die seine Nachhaltigkeitsleistung in diesem Bereich widerspiegelt.

Bei näherer Betrachtung der einzelnen Fragen wird deutlich, dass die Anforderungen der Automobilhersteller in weiten Teilen mit der deutschen und europäischen Nachhaltigkeitsgesetzgebung übereinstimmen. So gibt es beispielsweise Überschneidungen zwischen den Anforderungen im Bereich des Lieferkettenmanagements und den Verpflichtungen des LkSG, zwischen den Anforderungen im Bereich der Unternehmensethik und den Verpflichtungen des HinSchG sowie zwischen den Anforderungen in den Bereichen Corporate Governance, Unternehmensethik und Umwelt und der CSRD. Im Folgenden werden die Gesetze näher mit dem SAQ 5.0 verglichen.

LkSG

Das LkSG verpflichtet Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken entlang ihrer Lieferketten zu reduzieren. Dazu verpflichtet das LkSG die Unternehmen unter anderem dazu, einen Menschenrechtsbeauftragten im Unternehmen zu benennen, Präventionsmaßnahmen zu verankern und über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu berichten (§ 3 Abs. 1 LkSG). Gleichzeitig gibt es genau dafür Punkte beim SAQ 5.0.

Zum einen, wenn im Abschnitt „Geschäftsführung“ des SAQ 5.0 abgefragt wird, ob das Unternehmen einen Verantwortlichen für soziale Nachhaltigkeit und einen Menschenrechtsbeauftragter benannt hat (A.1a und A.1d. SAQ 5.0). Dabei wird im Fragebogen explizit darauf hingewiesen, dass bei Unternehmen, die in den Geltungsbereich des Lieferkettengesetzes (LkSG) fallen, der Verantwortliche für soziale Nachhaltigkeit auch als der vom Gesetz geforderte Menschenrechtsbeauftragte angesehen werden kann.

Des Weiteren können Zulieferer ihre Punktzahl im SAQ 5.0 erhöhen, wenn sie über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten aus dem LkSG berichten (A.2c.), wozu Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, ohnehin verpflichtet sind (§ 10 Abs. 2 LkSG).

Darüber hinaus können Zulieferer SAQ 5.0-Punkte erhalten, wenn sie Verhaltenskodizes sowohl für ihre eigene Geschäftstätigkeit als auch für ihre Zulieferer implementieren und Schulungen zu diesen Kodizes durchführen (A.5. und F.18.). Die Themen, die in den Verhaltenskodizes behandelt werden sollten, entsprechen im Wesentlichen den im Lieferkettengesetz (LkSG) aufgeführten menschenrechtlichen Risiken, wie etwa Kinderarbeit, alle Formen der Sklaverei, die Missachtung der Vereinigungsfreiheit, die Missachtung von Arbeitsschutzpflichten und Diskriminierung. (§ 2 Abs. 2 LkSG).

Obwohl das LkSG Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, nicht direkt zur Umsetzung von Verhaltenskodizes und zur Durchführung entsprechender Schulungen verpflichtet, ist es in der Praxis weit verbreitet, dass diese Unternehmen diese Maßnahmen als Präventionsmaßnahme gemäß § 6 LkSG ergreifen. Somit bringen Maßnahmen, die viele nach dem LkSG verpflichtete Unternehmen bereits eingeleitet haben, Punkte beim SAQ 5.0.

HinSchG

Das HinSchG dient dem Schutz von Personen bei der Meldung von Informationen über vermutete Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Unternehmens oder ihrer beruflichen Tätigkeit (§ 1 HinSchG). Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten sind verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten (§ 12 HinSchG) und Whistleblower umfassend vor Repressalien zu schützen (§§ 1, 36 HinSchG).

Dem entspricht die Erwartung von Automobilherstellern, dass ihre Zulieferer über ein geeignetes Beschwerdeverfahren verfügen. (vgl. A.4. SAQ 5.0). Weitere Punkte erhalten Zulieferer, wenn sie die Identität der Hinweisgeber vertraulich behandeln, garantieren, dass keine Vergeltungsmaßnahmen gegen Hinweisgeber ergriffen werden, Anonymität zusichern, Empfangsbestätigungen ausstellen und das Verfahren nicht nur den Mitarbeitern des Unternehmens, sondern auch den direkten und indirekten Zulieferern sowie anderen Stakeholdern zur Verfügung steht (A.4a. und A.4c. SAQ 5.0). Dies entspricht im Wesentlichen den Verpflichtungen nach dem HinSchG (vgl. §§ 8, 16, 17 HinSchG).

Darüber hinaus können Lieferanten im SAQ 5.0 Punkte erreichen, wenn das Beschwerdeverfahren Meldungen im Zusammenhang mit Menschenrechten, Umwelt und unethischen Geschäftspraktiken zulässt. Das HinSchG gilt unter anderem für die Meldung von straf- oder bußgeldbewehrten Verstößen sowie von Verstößen gegen Umwelt-, Datenschutz-, Wettbewerbs- und Geldwäschevorschriften (§ 2 HinSchG). Das nach dem LkSG einzurichtende Beschwerdeverfahren muss auch Beschwerden zu Menschenrechts- und Umweltaspekten zulassen. Unternehmen, die Verfahren eingerichtet haben, die sowohl den Anforderungen des HinSchG als auch des LkSG entsprechen, haben gute Chancen, in diesem Bereich des SAQ 5.0 eine hohe Punktzahl zu erreichen.

Im Abschnitt „Unternehmensethik“ wird zudem abgefragt, ob das Unternehmen über eine Richtlinie zur Unternehmensethik verfügt, die sich unter anderem mit Whistleblowing und dem Schutz vor Repressalien befasst (D.9. SAQ 5.0). Das HinSchG verpflichtet Unternehmen nicht, über eine solche Richtlinie zu verfügen. Unternehmen, die unter das HinSchG fallen, können ihre Punktzahl im SAQ 5.0 jedoch leicht verbessern, indem sie diesen Aspekt in ihre bestehenden oder neuen Richtlinien aufnehmen.

CSRD

Die CSRD ist eine EU-Richtlinie, die 2023 in Kraft getreten ist, um die Transparenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsberichten in der EU zu verbessern. Deutsche Unternehmen, die über den Schwellenwerten der CSRD liegen, sind verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu veröffentlichen.

In SAQ 5.0 wird abgefragt, ob das Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht (A.2. SAQ 5.0). Punkte werden vergeben, wenn der Bericht nach den Standards der Global Reporting Initiative oder einem anderen international anerkannten Standard erstellt wurde. Es ist anzumerken, dass die CSRD nicht explizit als Beispiel genannt wird, wohl aber die Vorgängerin der CSRD, die Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD, Richtlinie 2014/95/EU). Dies liegt daran, dass die CSRD erst in Kraft trat, als der SAQ 5.0 bereits fertiggestellt war. Es ist jedoch zu erwarten, dass die CSRD in der nächsten Version des SAQ, dem SAQ 6.0, explizit erwähnt wird.

Neben der Nachhaltigkeitsberichterstattung bewertet der SAQ 5.0 auch die Nachhaltigkeitspraxis des Unternehmens. Im Abschnitt „Umwelt“ werden Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit des Unternehmens abgefragt, (E.10. – E.17. SAQ 5.0). Die Themen, die im Abschnitt zur Umwelt des SAQ 5.0 aufgeführt sind, ähneln denen des ESRS, wie etwa Klimawandel, Umweltverschmutzung, Wasser- und Meeresressourcen sowie Biodiversität und Ökosysteme (ESRS E1, E2, E3 und E4). Es ist jedoch zu beachten, dass nicht nur Umweltthemen, sondern auch soziale und Governance-Themen in der Berichterstattung sowohl nach CSRD als auch nach SAQ 5.0 berücksichtigt werden.

Die Berichterstattung über bestimmte Themen ist zwar nicht gleichzusetzen mit der Umsetzung von Maßnahmen in diesen Bereichen. Dennoch haben Unternehmen, die einen CSRD-Bericht erstellen, zumindest einen guten Überblick über ihre bisherigen Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit. Ein CSRD-Bericht zeigt nicht nur die erreichten Meilensteine auf, sondern auch die Bereiche, in denen Verbesserungsbedarf besteht. Dies sollte den Unternehmen letztlich auch helfen, eine möglichst hohe Punktzahl im SAQ 5.0 zu erreichen.

Fazit

Abschließend lässt sich festhalten, dass der SAQ 5.0 Automobilzulieferern die Möglichkeit bietet, ihre Nachhaltigkeitspraxis nicht nur an den Erwartungen der Branche auszurichten, sondern auch einfach die deutschen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Durch die Einhaltung von Gesetzen wie dem LkSG, dem HinSchG und der CSRD sind Automobilzulieferer gut positioniert, um eine hohe Punktzahl im SAQ 5.0 zu erreichen. Unabhängig davon, ob ein Unternehmen zur Einhaltung der deutschen Gesetze verpflichtet ist oder nicht, wird deutlich, dass die Einhaltung dieser Gesetze ein strategischer Vorteil ist, um eine hohe Punktzahl im SAQ 5.0 zu erreichen und damit das Nachhaltigkeitsprofil und die Marktposition eines deutschen Zulieferers zu verbessern.