In unserem letzten Newsletter haben wir die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) und die Standards der Global Reporting Initiative (GRI) vorgestellt und bereits einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgezeigt sowie auf die Interoperabilität zwischen den Standards eingegangen. Dabei haben wir gezeigt, dass Unternehmen, die bereits nach den GRI-Standards berichten, für die Berichterstattung nach den ESRS gut aufgestellt sind. In diesem Newsletter möchten wir auf die relevanten Unterschiede näher eingehen, damit Unternehmen genau wissen, worauf sie beim Übergang von den GRI-Standards zu den ESRS achten müssen.
Strengere Vorgaben – Detaillierte Angaben
Ein erster Unterschied zwischen den ESRS und den GRI-Standards besteht darin, dass die ESRS im Vergleich zu den GRI-Standards strengere Anforderungen an die von den Unternehmen zu berichtenden Informationen stellen. Diese strengeren Anforderungen sind vor allem darauf zurückzuführen, dass es sich bei den ESRS um verbindliche Standards handelt. Sowohl die GRI-Standards als auch die ESRS verfolgen das Ziel, die Vergleichbarkeit und Transparenz der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verbessern. Allerdings sind die GRI-Standards flexibler und anpassungsfähiger, um den unterschiedlichen Rahmenbedingungen, in denen Unternehmen operieren, gerecht zu werden. Dies zeigt sich bereits darin, dass Unternehmen, die nach den GRI-Standards berichten, entscheiden können, ob sie streng „in Übereinstimmung“ oder lediglich „unter Bezugnahme“ berichten wollen. Die zweite Variante kommt insbesondere für Unternehmen in Frage, die über bestimmte Daten nicht verfügen.
Im Vergleich zu den GRI-Standards enthalten die ESRS zudem deutlich mehr Datenpunkte. Insbesondere im Umweltbereich gehen die ESRS weiter in die Tiefe als die GRI-Standards. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Unternehmen, die nach den ESRS berichten, gleichzeitig zumindest „unter Bezugnahme“ auf die GRI-Standards berichten, während umgekehrt die Berichterstattung nach den GRI-Standards die Anforderungen der ESRS nicht erfüllt. Dies wird deutlich, wenn man ESRS E4 (Biodiversität) mit GRI 304: Biodiversität 2016 vergleicht. Für alle Offenlegungspflichten aus GRI 304 gibt es entsprechende Offenlegungspflichten in ESRS E4. Umgekehrt ist dies allerdings nicht der Fall. Zum Beispiel müssen Unternehmen nur gemäß ESRS E4 offenlegen
- ob und wie die Abhängigkeiten von der biologischen Vielfalt und Biodiversität identifiziert und bewertet wurden,
- ob und wie systemische Risiken für das eigene Geschäftsmodell berücksichtigt wurden und
- ob für Standorte, die sich in oder in der Nähe von Schutzgebieten oder biodiversitätssensiblen Gebieten befinden, eine Politik zum Schutz der Biodiversität und der Ökosysteme verabschiedet wurde.
Diese erhöhte Detailtiefe stellt die Unternehmen vor neue Herausforderungen und erfordert häufig eine grundlegende Überarbeitung der Berichterstattungsprozesse sowie möglicherweise eine Verbesserung der Datenerhebung und des Datenmanagements. Mittlerweile gibt es zahlreiche Anbieter von Softwaretools für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Unternehmen in verschiedenen Bereichen der Datenerhebung und des Datenmanagements unterstützen können.
Für einige Unternehmen ist der Einsatz solcher Tools sicherlich notwendig, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Es ist jedoch wichtig, dass Unternehmen vor der Anschaffung gründlich prüfen, ob dies auch für sie zutrifft. Dazu sollte eine Bestandsaufnahme der bestehenden Datenquellen und -systeme sowie eine Analyse der bestehenden Nachhaltigkeitsdaten und der Datenqualität durchgeführt werden. Angesichts der Vielzahl von Anbietern von Softwaretools für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist dies auch wichtig, um herauszufinden, welche spezifischen Anforderungen Sie an ein solches Tool stellen sollten.
Das Konzept der Doppelten Wesentlichkeit
Ein weiterer Unterschied zwischen den GRI-Standards und den ESRS betrifft die Wesentlichkeitsanalyse, die Unternehmen im Rahmen der Berichterstattung durchführen müssen. Sowohl nach den GRI-Standards als auch nach den ESRS bestimmt sich nach der Wesentlichkeitsanalyse, zu welchen Themen ein Unternehmen berichten muss. Die Wesentlichkeitsanalyse erfolgt jedoch nach unterschiedlichen Kriterien.
Nach den GRI-Standards sind die tatsächlichen und potenziellen negativen und positiven Auswirkungen auf Wirtschaft, Umwelt und Menschen (impact materiality) für die Bestimmung der Wesentlichkeit relevant. Damit nehmen die GRI-Standards eine nach außen gerichtete Perspektive ein.
Demgegenüber enthalten die ESRS das Konzept der doppelten Wesentlichkeit, dass eine Kombination aus einer nach außen und nach innen gerichteten Perspektive darstellt. Nach den ESRS ist ein Nachhaltigkeitsthema wesentlich und damit berichtspflichtig, wenn es erhebliche potenzielle oder tatsächliche Auswirkungen des Unternehmens auf die Wirtschaft, Menschen oder Umwelt hat (impact materiality) und/oder wenn das Thema erhebliche finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen hat oder haben kann (financial materiality). So müssen Unternehmen bei der Wesentlichkeitsanalyse nach den ESRS auch berücksichtigen, wie ihre Abhängigkeit von natürlichen und gesellschaftlichen Ressourcen zu finanziellen Risiken und Chancen führen kann.
Der Unterschied zwischen den GRI-Standards und den ESRS besteht also darin, dass letztere eine finanzielle, nach innen gerichtete Perspektive in die Bestimmung der Wesentlichkeit einbeziehen. Die Bewertung der Auswirkungen und der finanziellen Wesentlichkeit sind jedoch eng miteinander verbunden. Die Wesentlichkeit der Auswirkungen dient als Ausgangspunkt, auf dem die finanzielle Wesentlichkeit aufbaut.
Unternehmen, die nach den ESRS berichten, sollten Unternehmen daher zunächst bestimmen, welche Themen in Bezug auf ihre Auswirkungen wesentlich sind. Der bereits im Rahmen der GRI-Berichterstattung angewandte Prozess zur Identifizierung der wesentlichen Themen kann diesbezüglich für die ESRS-Berichterstattung übernommen werden. Unternehmen, die bereits im Rahmen ihrer GRI-Berichterstattung ihre Auswirkungen auf Wirtschaft, Umwelt und Menschen umfassend analysiert haben, sind daher für eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse nach den ESRS gut aufgestellt. Sodann sollten Unternehmen die Themen, die in finanzieller Hinsicht wesentlich sind.
Eine Auswirkung auf die Nachhaltigkeit kann von Anfang an finanziell wesentlich sein oder finanziell wesentlich werden, wenn vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich kurz-, mittel- oder langfristig auf die Finanzlage des Unternehmens auswirkt. Bei der Bestimmung der wesentlichen Themen verlangen die ESRS zudem, dass Unternehmen berücksichtigen, wie ihre Abhängigkeit von natürlichen, menschlichen und sozialen Ressourcen eine Quelle finanzieller Risiken und Chancen sein kann, unabhängig von ihren potenziellen Auswirkungen auf diese Ressourcen.
Der konzeptionelle Unterschied bei der Wesentlichkeitsanalyse lässt sich am Beispiel der Wasserknappheit verdeutlichen: Angenommen, ein Lebensmittelunternehmen ist in einer Region tätig, die zunehmend unter Wasserknappheit leidet. Nach den GRI-Standards müsste das Unternehmen analysieren, wie sich seine Wasserentnahme auf die lokale Wasserversorgung auswirkt und welche Maßnahmen es ergreift, um diese Auswirkungen zu minimieren (Impact Materiality). Nach den ESRS müsste das Unternehmen zusätzlich bewerten, wie sich die Wasserknappheit auf die eigene Geschäftstätigkeit auswirkt, etwa durch höhere Wasserkosten, Produktionsausfälle oder regulatorische Maßnahmen, die die Wassernutzung einschränken (financial materiality). Die doppelte Wesentlichkeit führt also dazu, dass das Unternehmen nicht nur die externen Auswirkungen, sondern auch die internen finanziellen Risiken und Chancen umfassend analysiert und darüber berichtet.
Strategischer, Vorausschauender Ansatz
Die GRI-Standards und die ESRS verlangen nicht nur die Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten, wie beispielsweise die Menge der CO2-Emissionen eines Unternehmens oder die Diversität der Geschäftsleitung, sondern auch die Beschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens. Nach den GRI-Standards müssen Unternehmen das Management der wesentlichen Themen darstellen. Das bedeutet, dass sie nicht nur die konkreten Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Wirtschaft, Umwelt und Menschen beschreiben müssen, sondern auch die Maßnahmen, die ergriffen werden, um mit diesen Themen umzugehen, sowie die Wirksamkeit dieser Maßnahmen und die Verfahren zur Bewertung dieser Wirksamkeit.
Die Anforderungen der ESRS überschneiden sich in dieser Hinsicht teilweise mit denen der GRI-Standards, sind aber differenzierter. Die ESRS verlangen von den Unternehmen, die Auswirkungen ihrer Geschäftsaktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu beschreiben und zu bewerten, ob diese Chancen oder Risiken für ihr Kerngeschäft darstellen. Darüber hinaus müssen sie darlegen, welche Ziele und Indikatoren sie verwenden, um Fortschritte zu definieren und zu messen.
Die Berichterstattung über Auswirkungen, Risiken und Chancen ist ein fortlaufender Prozess und sollte daher die aktuelle Situation widerspiegeln und auch zukünftige Entwicklungen berücksichtigen. Unternehmen müssen daher sowohl aktuelle als auch zukunftsbezogene Angaben zu den wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen machen. Während sich die GRI-Standards im Wesentlichen auf die kurzfristige Perspektive konzentrieren, fordern die ESRS zusätzlich die Berücksichtigung der mittel- und langfristigen Perspektive. Als kurzfristig gelten alle Ereignisse, die im jeweiligen Berichtsjahr auftreten. Ereignisse, die darüber hinausgehen, werden als mittelfristig (bis zu 5 Jahre nach der Berichterstattung) und langfristig (mehr als 5 Jahre nach der Berichterstattung) bezeichnet.
Dieser umfassende Ansatz der ESRS verlangt von den Unternehmen eine detaillierte Darstellung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und deren Auswirkungen sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft.
Externe Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts
Ein weiterer Unterschied besteht in der externen Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts (dies betrifft streng genommen die CSRD und nicht die hier erörterten ESRS).
Nach der CSRD sind Unternehmen verpflichtet, ihre Berichte durch qualifizierte, sachkundige und unabhängige Prüfer prüfen zu lassen. Nach dem derzeitigen Entwurf des CSRD-Umsetzungsgesetzes werden in Deutschland nur die Abschlussprüfer des Jahres- oder Konzernabschlusses des Unternehmens oder andere Wirtschaftsprüfer hierzu zugelassen sein. Eine Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts durch andere Prüfer, z.B. technische Sachverständige wie den TÜV, ist jedoch nicht möglich. Diese vorgeschriebene Prüfung durch Dritte soll die Glaubwürdigkeit der berichteten Daten erhöhen und sicherstellen, dass die Berichte den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Prüfung hat zunächst mit begrenzter Sicherheit (limited assurance) zu erfolgen. Es ist vorgesehen, dass ab 2028 die Prüfung mit hinreichender Sicherheit (reasonable assurance) durchgeführt werden muss.
Im Gegensatz dazu empfehlen die GRI-Standards eine externe Prüfung, schreiben sie aber nicht zwingend vor. Für den Fall, dass eine solche Prüfung durchgeführt wird, enthalten die GRI-Standards jedoch Leitlinien für die Berichterstattung.
Fazit
Trotz der betonten Gemeinsamkeiten zwischen den GRI-Standards und den ESRS gibt es signifikante Unterschiede, auf die sich die nach der CSRD verpflichteten Unternehmen einstellen müssen. Insbesondere die strengeren Anforderungen und der höhere Detaillierungsgrad dürften bereits bei der Datenerhebung eine Herausforderung darstellen.
Für Unternehmen, die bereits im Rahmen der GRI-Berichterstattung eine „einfache“ Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt haben, dürfte die doppelte Wesentlichkeitsanalyse hingegen keine so große Umstellung bedeuten. Ähnliches gilt für den in den ESRS geforderten strategischen und vorausschauenden Ansatz.
Angesichts des verpflichtenden Charakters der CSRD (und der ESRS) sollten Unternehmen in Erwägung ziehen, einen Testbericht zu erstellen, um sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.